Durch die vielgestaltige Waldseenlandschaft der nördlichen Ville
Samstag, 12. März 2016
Sinziger Eifelverein-Wanderer erkunden das rekultivierte ehemalige Tagebaugebiet bei Brühl

Wie sieht eine Landschaft aus, in der jahrzehntelang bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein Braunkohle abgebaut wurde, und das im Tagebaubetrieb, also nicht gerade die Landschaft schonend? Vor dem Hintergrund dieser Frage machte sich eine Gruppe von 16 Wanderern des Sinziger Eifelvereins auf den Weg, um zu erkunden, was aus diesem Gebiet geworden ist und wie es sich heute darstellt. Und diejenigen, die diese Gegend bisher noch nicht kannten, waren überrascht, dass man dieser Landschaft heute nichts mehr von ihrer industriellen Vergangenheit ansieht.
  Wo sich einst riesige Bagger durch das Erdreich der Ville westlich von Brühl gewühlt hatten, erstrecken sich heute auf einer Fläche von ca. 50 qkm ausgedehnte Laub- und Nadelwälder und eine Kette von mehr als 40 größeren und kleineren Seen. Entstanden sind die Seen meist in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als der hier seit dem 19. Jahrhundert industriell betriebene Braunkohletagebau eingestellt wurde und sich die Restlöcher allmählich mit Grund- und Oberflächenwasser füllten.
  Für diesen Tag hatten sich die Wanderer einen Rundwanderweg ausgesucht, der an sieben Seen vorbeiführte, zunächst, am Ober-, Mittel- und Untersee, die sich auf der Sohle einer markanten Geländevertiefung aneinanderreihen und unter Landschaftsschutz stehen, genauso wie der als nächstes besuchte Pingsdorfer See. Am Ufer des malerisch gelegenen Heider Bergsees fand die Gruppe ein idyllisches Plätzchen für ihre Mittagsrast. Vorbei am Bleibtreusee (benannt nach dem Direktor der ehemals hier befindlichen Kohlegrube), dem jüngsten und flächenmäßig größten der Villeseen, ging es dann weiter durch den Wald Richtung Liblarer See.


  In der Nähe dieses Sees stießen die Wanderer dann auf ein hier nicht erwartetes Denkmal der Eisenbahngeschichte: Eine imposante Güterzugdampflok der Baureihe 50 (Baujahr 1941), die hier seit 1991 "gestrandet" ist. Sie hat eine interessante Geschichte, denn sie war es, die im Oktober 1988 in Sachsen-Anhalt den allerletzten planmäßigen, von einer Dampflok gezogenen Zug an sein Ziel gebracht hatte. Damit war das Zeitalter der Dampftraktion in Deutschland endgültig beendet. Nach der Wiedervereinigung hat ein hiesiger Eisenbahnliebhaber die Lok ins Rheinland geholt, buchstäblich eine Fahrt ohne Wiederkehr, denn die Gleise, über die sie zum ehemaligen Güterbahnhof Liblar überführt wurde, und über die einst auch die Braunkohle-Züge rollten, sind inzwischen längst abgebaut. So steht die Lok heute etwas verloren am westlichen Rande der Ville, ein stummer Zeuge der Technikgeschichte, dessen Erhalt zu wünschen ist.
  Bald hatte die Gruppe dann den Endpunkt ihrer Wanderung erreicht: das Schloss Gracht in Liblar, eine für diese Gegend typische, zweiteilige und wasserumwehrte Anlage mit Vor- und Hauptburg, deren Anfänge bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen und die später zu einem repräsentativen Schloss im Barockstil um- und ausgebaut wurde. Historisch bedeutsam ist die früh-barocke Gartenanlage des Schlosses vom Ende des 17. Jahrhunderts, der ältesten ihrer Art im Rheinland, deren Wegenetz noch heute vorhanden ist. Historisch ebenso wichtig (und durch ein entsprechendes Denkmal dokumentiert) ist auch die Tatsache, dass auf Schloss Gracht der deutsch-amerikanische Politiker Carl Schurz (1829-1906) geboren wurde, der als verfolgter Freiheitskämpfer der Revolution von 1848/49 aus Deutschland fliehen musste und dann in den USA zu einem einflussreichen Senator, General im Bürgerkrieg und Innenminister aufstieg.
  So hatte dieser Tag für die Wanderer aus Sinzig nicht nur viele schöne Natureindrücke, sondern auch eine unerwartete Begegnung mit der deutschen Eisenbahngeschichte und manche neuen kulturellen und historischen Erkenntnisse bereit gehalten.